Pragmatische Sanktion

Pragmatische Sanktion
Pragmatische Sanktion,
 
1) Pragmatische Sanktion von Bourges [-burʒ], der am 7. 7. 1438 durch Karl VII. von Frankreich in Bourges verkündete Erlass mit Gesetzeskraft, der den Einfluss des Papstes auf Stellenbesetzung und Gerichtsbarkeit in der französischen Kirche zugunsten des Königtums beschränkte und u. a. das Wahlrecht der Kapitel und Konvente wiederherstellte. Die Pragmatische Sanktion von Bourges, die auf den von einer französischen Synode abgeänderten Reformdekreten des Basler Konzils beruhte, wurde 1461 und 1467 von Ludwig XI. aufgehoben und 1516 durch ein dem Papst günstigeres Konkordat ersetzt; sie blieb aber Grundlage des Gallikanismus.
 
 
N. Valois: Histoire de la Pragmatique sanction de Bourges sous Charles VII (Paris 1906).
 
 2) von Kaiser Karl VI. in seiner Eigenschaft als Familienvorstand des Hauses Habsburg am 19. 4. 1713 verkündetes grundlegendes Hausgesetz, das die Unteilbarkeit des habsburgischen Hausbesitzes bestimmte und die Erbfolge nach dem Erstgeburtsrecht im männlichen und weiblichen Stamm festlegte. Für den Fall des Aussterbens der männlichen Linie sollten die Töchter Karls VI. und nicht die seines Vorgängers Josephs I. (verheiratet mit den Kurprinzen von Sachsen und Bayern) erbberechtigt sein. 1720-23 nahmen die Landstände der einzelnen Erbländer die Pragmatische Sanktion an; der ungarische Reichsrat erkannte 1722 den künftigen Erben in Österreich als König in Ungarn an. 1724 wurde die Pragmatische Sanktion zum Staatsgrundgesetz erhoben. Vorbehalte aufgrund eigener Erbmöglichkeiten erhoben Sachsen und Bayern. Die Zustimmung der europäischen Mächte konnte Karl VI. nur mit Mühe und unter großen politischen Zugeständnissen gewinnen. Trotz des scheinbar allgemeinen Konsenses musste Maria Theresia ihr Erbe ab 1740 im Österreichen Erbfolgekrieg verteidigen.
 
 
G. Turba: Die Grundl. der P. S., 2 Bde. (1911-12);
 J. Kunisch: Staatsverf. u. Mächtepolitik (1979);
 J. Kunisch: Hausgesetzgebung u. Mächtesystem, in: Der dynast. Fürstenstaat, hg. v. J. Kunisch: (1982).
 
 3) das Gesetz zur Regelung der spanischen Thronfolge; bereits 1789 von den Cortes unter Aufhebung des 1713 von Philipp V. erlassenen Erbfolgegesetzes (salische Erbfolge) beschlossen, aber erst 1830 von Ferdinand VII. verkündet, um die Thronbesteigung seiner Tochter Isabella (II.) zu sichern. Die Nichtanerkennung der Pragmatischen Sanktion durch die Karlisten führte zu den Karlistenkriegen.
 

Universal-Lexikon. 2012.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Pragmatische Sanktion — (Sanctio pragmatica), ein Edikt des Landesherrn, das eine wichtige Staatsangelegenheit durch ein unverletzliches und für alle Zeiten geltendes Grundgesetz ordnet. Die wichtigsten pragmatischen Sanktionen sind, nachdem die P. S. Ludwigs IX., des… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Pragmatische Sanktion — Pragmatische Sanktion, unverletzliches, zu bleibender Dauer bestimmtes Staatsgrundgesetz. Wichtig die franz. P.S. von 1438 und die deutsche von 1439, die die Macht des Papstes beschränkten; dann die österr. von 1713 (6. Dez. 1724 proklamiert),… …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Pragmatische Sanktion — Urkunde von Kaiser Karl VI. um 1713. Die Pragmatische Sanktion ist eine am 19. April 1713 von Kaiser Karl VI. veröffentlichte Urkunde (Hausgesetz), die die Unteilbarkeit und Untrennbarkeit aller habsburgischen Erbkönigreiche und Länder festlegte… …   Deutsch Wikipedia

  • Pragmatische Sanktion (Römisches Recht) — Als Pragmatische Sanktion, lateinisch Sanctio pragmatica/Pragmatica sanctio bezeichnet man im Römischen Recht der Spätantike einen feierlichen Gesetzgebungsakt des Kaisers. Üblicherweise werden als sanctiones pragmaticae kaiserliche… …   Deutsch Wikipedia

  • Pragmatische Sanktion von Bourges — Die Pragmatische Sanktion von Bourges ist eine am 7. Juli 1438 in Bourges veröffentlichte Entscheidung von Frankreichs König Karl VII., die mit dem Einverständnis des dort versammelten Klerus erfolgte. Der König pochte als Wächter auf die Rechte… …   Deutsch Wikipedia

  • Kroatische Pragmatische Sanktion — Die Kroatische Pragmatische Sanktion (kroatisch Hrvatska pragmatička sankcija) ist ein Beschluss, der vom kroatischen ständischen Landtag bzw. Sabor am 9. März 1712 gefasst wurde. Mit diesem Beschluss wurde das weibliche Nachfolgerecht der… …   Deutsch Wikipedia

  • Sanktion — Sanktiōn (lat.), Heiligung, Weihe, feierliche Bestätigung eines Gesetzes, Vertrags etc.; auch Bezeichnung wichtiger Staatsgesetze (s. Pragmatische Sanktion); sanktionieren, bestätigen; Gesetzeskraft erteilen …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Pragmatische Armee — Die Pragmatische Armee bestand aus österreichischen, britischen, holländischen, hannoverschen und hessischen Verbänden. Sie kämpfte in den Jahren 1741 bis 1745 während des Österreichischen Erbfolgekriegs in Deutschland auf habsburgischer Seite… …   Deutsch Wikipedia

  • Pragmatische Armee — Pragmatische Armee, das im Österreichischen Erbfolgekrieg zur Aufrechterhaltung der Pragmatischen Sanktion 1743 für Maria Theresia aufgestellte Hilfsheer der Seemächte England und Holland. Vgl. Großbritannien, S. 401 …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Sanktion — Eine Sanktion (franz. sanction; aus lat. sanctio, „Heilung, Anerkennung, Bestätigung, Billigung, Strafandrohung“; zu sancire, „heiligen, unverbrüchlich festsetzen, bei Strafe androhen“) ist die Erteilung der Gesetzeskraft. In der Regel ist (im… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”